Pferde haben nicht umsonst so große Augen und Ohren – denn damit beobachten sie ganz genau unser Verhalten. Jeder, der sich in die nähere Umgebung eines Pferdes begibt, kommuniziert mit dem Tier – egal ob etwas gesagt wird oder nicht; es kommt einzig und allein auf die Art an, wie man sich bewegt. Egal ob Du gerade stehst, die Schultern hängen lässt oder ungeduldig von einem Bein auf das andere wippst – dein Pferd durchschaut Dich direkt und weiß sofort Bescheid, ob Du glücklich, traurig, genervt oder gestresst bist. Sie haben aber nicht nur uns Menschen genau im Blick, auch untereinander verständigen Pferde sich mit ihrer Körpersprache.

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So wie wir auch eine „Rangordnung“ zum Beispiel auf der Arbeit haben, haben Pferde auch eine bestimmte, klare Rangordnung in ihrer Herde. Wenn ein Pferd in eine neue Herde kommt, möchte es ganz genau wissen, ob es sich unterordnend oder führend gegenüber einem anderen Pferd aus der neuen Herde hat. Wenn diese „Frage“ noch ungeklärt ist, bedeutet das Ungewissheit und Stress für das neue Pferd. Beim herausfinden, wer das Sagen hat, kommt es oft auch zu Rangeleien, Tritten und Bissen. Wenn ich nun ein neues Pferd bekomme, ist die Rangordnung auch hier noch ungeklärt – nur, weil ich der Mensch bin, heißt es nicht, dass ich auch der Ranghöhere bin und das sagen habe. Innerhalb einer Herde strecken die Pferde ihre Hälse und berühren sich mit den Nüstern – diese Geste sollten wir uns abgucken, denn nichts geht ohne Etikette. Zwar soll man dem Pferd nicht die eigene Nase zum „Hallo“ sagen hinhalten, aber man kann sich mit Stimme und einer Hand Abhilfe schaffen und das Pferd zur Begrüßung zum Beispiel am Hals streicheln.

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 Wenn ich nun mit meinem neuen Pferd spazieren gehen möchte um ihm die neue Umgebung zu zeigen und es drängelt und am Strick zieht oder nicht ruhig stehen bleibt – hat es dann ein Dominanzproblem? Sieht es mich nicht als Ranghöheren? Vielleicht hat es auch einfach nur nicht verstanden, was ich von ihm will. Vielleicht wurde versäumt dem Pferd beizubringen, was es darf und was es nicht machen soll. Hat das dann was mit Dominanz zu tun? Wenn mein Pferd nun gelernt hat meine - vielleicht unklaren - Kommandos zu deuten – ist es dann schlauer als ich? Weil es meine undefinierbare Körpersprache lesen kann? Und ist es dann automatisch Ranghöher? Fragen über Fragen – und unzählige verschiedene Antworten.

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Das wichtigste was aber zwischen Pferd und Reiter bestehen muss, ist das Vertrauen. Die Individualdistanz beim Pferd ist ähnlich strukturiert wie beim Menschen. Es duldet nur sympatische „Artgenossen“ in diese Zone. Erst dann, wenn das Pferd sich sicher ist, dass ihm in meiner Nähe nichts passiert und es weiß, dass von mit keinerlei Bedrohung ausgeht, besteht Vertrauen, sodass das Pferd sich auch entspannen kann und nicht immer alles direkt im Blick haben muss. Ein gutes Beispiel ist hier mein Wallach: 13 Jahre jung und eigentlich super entspannt, da er mit dem Alter schon entsprechende Erfahrungen sammeln konnte – das dachte ich zumindest über ihn, als ich ihn kennen gelernt habe. In „seinem“ Stall war er seelenruhig und konnte keiner Fliege was anhaben. Nun steht er in einem neuen Stall, mit neuer Herde und einer neuen Bezugsperson – und was passiert? Da man 1,76 Meter nicht mal eben so locker festhalten kann, wenn er weg will, wird man einfach hinterhergezogen. Solche Sätze wie „Dein Pferd ist zu dominant“ bekommt man dann zu hören. Aber wo ein Wille ist, ist auch ein Weg – mit ein bisschen Übung, hat sich dieses Verhalten schnell gelegt... vielleicht hat er auch einfach nur nicht gelernt, wie er sich zu verhalten hat, wenn jemand anderes bei ihm ist?

 

Bis bald

eure Lena