Wir waren wahrscheinlich alle schon einmal in der Situation, dass wir über die Wahl des Gebisses nachgedacht haben. Auch ich habe einmal das Gebiss gewechselt, weil im Parcours die Bremse geklemmt hat. Heute weiß ich, dass ich die Symptome und nicht die Ursache behandelt habe, aber damals wusste ich mir nicht zu helfen, das Tempo im Parcours war zu halsbrecherisch. Ich habe mich damals für ein doppelt gebrochenes Pelham mit kurzen Anzügen gekauft. Wie wirken scharfe Gebisse eigentlich?

Gebisse gibt es in verschiedenen Varianten. Stange, einfach gebrochen, doppelt gebrochen, mit kurzen oder langen Anzügen, mit vier Zügeln oder zweien, mit oder ohne Kinnkette. Die Wahl Stange, einfach oder doppelt gebrochen beeinflusst die Wirkung im Pferdemaul extrem. Eine Stange wirkt bei beidseitigem Druck hauptsächlich auf die Zunge des Pferdes und damit recht mild. Bei einseitigem Zug verkantet sich die Stange hingegen, drückt auf der Seite des Drucks auf die Lade und auf der anderen Seite gegen den Gaumen. Da das unangenehm für das Pferd ist, ist ein Stangengebiss zum Stellen und Biegen ungeeignet. Gummistangen verhindern das Verkanten größtenteils. Stangengebisse sind also nur für Reiter, die Wendungen ohne Handeinwirkung reiten können. Einfach gebrochene Gebisse wirken bei einseitigem Zug isoliert auf die Lade, wo der Zügel angenommen wird und sind damit deutlich besser geeignet um das Pferd zu stellen und zu biegen. Nimmt der Reiter beide Zügel gleichzeitig an, droht jedoch der „Nussknackereffekt“. Neben dem Druck auf die Laden drückt sich die Mitte des Gebisses in den Gaumen. Das ist oft unangenehm und kann zum Sperren führen. Bei doppelt gebrochenen Gebissen fällt der Effekt weg, sie wirken hingegen mehr auf die Zunge.1931942 986558251410982 256209694 n

Viele Gebisse gibt es außerdem mit unterschiedlich langen Hebeln. Lange Anzüge bewirken auch mehr Hebelwirkungen. Doch auch Verhältnis zwischen dem Hebel unterhalb des Mundstücks und dem darüber beeinflussen die Stärke des Hebels. Hebel wirken, indem das Gebiss im Pferdemaul gedreht wird. Dadurch entsteht mehr Druck auf die Zunge. Die Länge des unteren Anzugs bestimmt aber nicht nur die Stärke des Gebisses, sondern auch, wie direkt es wirkt. Ein langer Anzug bewirkt beim Annehmen einen starken Zug auf Genick und Zunge, der Reiter muss den Zügel aber deutlich stärker annehmen, bis die Wirkung einsetzt. Grobe Paraden können dem Pferd mit einem solchen Gebiss erhebliche Schmerzen bereiten und es sogar ernsthaft verletzen. Dafür verzeiht das Gebiss kleine Wackler eher. Kurze Anzüge hingegen wirken milder, aber deutlich direkter. Eine unruhige Hand fällt daher schneller ins Gewicht.

Auch oberhalb des Mundstücks können Hebel sein, diese bewirken die Stärke des Drucks auf das Genick. Je länger der Anzug, desto größer der Druck auf das Genick. Durch lange obere Anzüge wirken Gebisse aber auch mehr auf die Maulwinkel, da es sich bei Annehmen der Zügel das Gebiss im Maul hebt. Die Härte des Gebiss richtet sich also hauptsächlich nach der Länge des oberen Hebels. Das ist auch wahrscheinlich ein Grund, dass Drei-Ringe-Gebisse nicht mehr in kleinen Prüfungen erlaubt sind. Mit dem oberen Ring und dem Zügel am unteren Ring bewirkte man mehr Hebelwirkung und mehr Druck auf Genick, der nicht durch eine Kinnkette gemildert wird. Ja, gemildert!

Eine Kinnkette, wie sie an verschiedenen Gebissen zu finden ist, begrenzt die mögliche Drehung des Gebisses im Pferdemaul. Dadurch kann das Gebiss nicht so stark auf Genick und Maulwinkel wirken, sondern wirkt statt dessen verstärkt auf Kinn und Zunge. Die Kinnkette macht das Gebiss also weicher, nicht schärfer, wie es oft vermutet wird. Dies gilt natürlich nur, solange sie richtig verschnallt ist! Eine zu lange Kinnkette hat keine Wirkung, sie beschränkt den Druck auf Genick und Maulwinkel also nicht. Ist die Kinnkette jedoch zu kurz, wirkt das Gebiss viel stärker auf die Zunge und diese kann gequetscht und verletzt werden. Die Folge haben wir schon bei verschiedenen Dressurreitern zu sehen bekommen: Blaue, schlecht durchblutete Zungen. Als Faustregel gilt: Maulspalte und unterer Anzug sollen bei leicht angenommenem Zügel einen Winkel von 45 Grad bilden.12787993 1032869493422846 37313892 n

Eine weitere Variation gibt es, von der die Wirkung des Gebisses abhängt, nämlich die Verschnallung der Zügel. Ein Pelham kann beispielsweise mit vier Zügeln geritten werden, dann wirkt es bei vermehrtem Zug auf die oberen Zügel wie ein normales Gebiss, bei Druck auf die unteren Zügel, wirkt es mehr wie eine Kandare. Auf Turnieren in den niedrigeren Klassen sind jedoch Pelhamriemen Pflicht. Diese verbinden die Zügelringe und verhindern so, dass die Kandarenwirkung zu stark wird.

Bevor man sich für ein schärferes Gebiss entscheidet, sollte man natürlich erst einmal seine Reitweise überprüfen und an der Rittigkeit des Pferdes arbeiten. Wählt man dann dennoch ein schärferes Gebiss, sollte man sich Gedanken machen, wie weich die Reiterhand ist und was man genau mit dem Gebiss bewirken will.

Mein doppelt gebrochenes Pelham damals war also eine vergleichsweise sanfte Alternative zum "normalen" Gebiss. Wenig Hebel, Wirkung auf die Zunge.