Arthrose - Das ist der kleine, fiese Begriff für eine weit verbreitete Pferdekrankheit.

Das Pferd bewegt sich langsam schlechter, viel steifer und lahmt von Zeit zu Zeit aus unerfindlichen Gründen. Nichts warm, nichts dick. Dem Dressurpferd fallen Seitengänge und Verstärkungen schwer und auf einmal springt das Springpferd nicht mehr auf groß und verweigert häufiger. Das Buschpferd verliert die Lust am galoppieren und überlegt sich dreimal, ob es die Buschhürde wohl wirklich überwinden sollte.

All diese oben genannten Sachen treffen auf meine Stute zu. Mit Bella bin ich bis Anfang dieses Jahres Vielseitigkeit, Springen und Dressur liebend gerne geritten. Wir waren nicht immer erfolgreich aber das gemeinsame Training machte uns Spaß und gerade im Gelände wurden wir richtig gut. Sie hatte immer schon hinten links Kreuzgalle im Sprunggelenk. Dass sich daraus wohl irgendwann einmal Spat bilden würde, dachte ich mir irgendwie. Obwohl damals sämtliche Tierärzte sagten, dass es sich wohl nur um einen Schönheitsfehler handeln würde. Anfang 2014 fiel mir auf, dass sie hinten links kürzer tritt. Ich ließ mehrfach Tierärzte und Chiropraktiker nach ihr schauen, keiner konnte mir so richtig sagen, was es war.

Es wurde schließlich ein Sehenschaden in der tiefen Beugesehene festgestellt. Also ein halbes Jahr ab auf die Sommerweide und dann würde sie schon wieder laufen. Das Pferd war da schließlich erst 11 Jahre alt und musste nie hohe Springen oder Dressuraufgaben laufen. Noch dazu wurde sie artgerecht gehalten und immer ausreichend bewegt.

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Als es sich nach einem ¾ Jahr immer noch nicht gebessert hatte, trotz langsamen Antrainieren, fuhr ich in die Klinik. Die Ärztin dort sagte, dass es am Spat läge. Sie bekam eine teure Tildreninfusion. Diese sollte ihr das Leben erleichtern und ich sollte sie auch wieder normal reiten können, sobald es anschlägt. Aber: Wieder nichts. Das Pferd lief genau so wie zuvor: Hinten links trat sie kürzer, sie wollte nicht mehr richtig  voran gehen und alles fiel ihr schwer.

Zum Kontrolltermin nach 6 Wochen stellte dies auch die Ärztin fest. Also entschieden wir uns für eine Szintigraphie. Und zwar vom kompletten Pferd. Gesagt getan.

Dabei kam raus, dass Bella an vielen Stellen im Körper an Arthrose leidet: Vom Sprunggelenk hinten links, was die meisten Probleme bereitet, über Artrose im Halswirbel und in beiden Fesselgelenken vorne. Noch dazu steht ein Wirbel am Rücken falsch, was wohl durch eine alte Verletzung kommt.

Die Ärzte dort rieten mir, das Pferd in einen Offenstall zu stellen und ab und zu mal auszureiten. Auch ein kleiner Galopp wäre mal drin, mehr sollte sie aber lieber nicht tun.

So traurig war ich im Leben noch nicht, als ich mein Pferd dann wieder auflud und zurück nach Hause in den Stall fuhr. Solls das echt gewesen sein?! Mit 12 Jahren? Wieso mein Pferd? Sie ist doch noch jung. Habe ich irgendetwas falsch gemacht? All die Fragen bohrten sich in meinen Kopf und ich konnte tagelang nicht schlafen.

Ich hatte zum Glück die Möglichkeit, meine Stute in den Offenstall zu stellen. Dort hat sie im Sommer eine große Weide, einen Sandpaddock, Fressständer für Heu und eine große Strohliegebox. Im Winter sind lediglich die Weiden geschlossen.

Nach einiger Zeit mit viel Ausreiten und rumdameln merkte ich, dass es ihr wieder viel besser ging. Sie trat zwar nach wie vor hinten links kürzer aber es schien nicht mehr so, als habe sie ständig Schmerzen. Die Tierärztin meinte auch, dass es möglich ist, dass der Spat verknöchert und sie dann schmerzfrei läuft.

 

Ich begann, sie auch ab und zu mal wieder auf dem Platz oder in der Halle zu bewegen. Sie lief manchmal gut, manchmal schlecht. Ganz wegstellen wollte ich sie nicht und das bin ich ihr auch schuldig. Langsam bekam sie wieder Kondition und machte gut mit. Sie zeigte mir dadurch, dass sie noch nicht der Rentner ist, für den sie jetzt alle halten. Sie legte einen Mitteltrab vom feinsten hin und ich wusste: Okay Madam, ein bisschen dosierte Arbeit schadet dir wohl nicht.

Langsam fing ich an, sie dressurmässig wieder etwas mehr zu arbeiten. Bis heute ist es so, dass sie gute Tage hat, an denen wir eine schöne L Dressur durchreiten können und schlechte Tage hat, an denen sie sich gar nicht bewegen mag.

Es fiel mir am schwersten, das einfach zu akzeptieren. Ich bin eigentlich eine motivierte Reiterin und musste nun meine Ansprüche deutlich zurückkurbeln, damit ich meinem Pferd gegenüber nicht unfair wurde. Springen war nur an besonders guten Tagen auf E Niveau möglich und das auch nur sehr selten. Ich merke ihr aber bis heute an, wie dankbar sie für die Umstellung in den Offenstall ist und dafür, dass ich sie nicht wegstelle.

Stellt man ein Arthrosepferd einfach beiseite, dann wird es nur alles schlimmer und wird wohl auch bald das Zeitliche segnen. Denn dosierte Bewegung und ein sehr langes Warmreiten ist das A und O und ohne geht es einfach nicht. Wer rastet, der rostet. Auch wenn die ersten zwei drei Runden Trab vielleicht für Außenstehende schlimm aussehen, weil sich das Pferd einlaufen muss. Man kann es ja erklären. Und wenn doofe Sprüche kommen, wieso das Pferd noch geritten wird, dann denkt euch einfach euren Teil, denn diese Leute sind unwissend.

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Das sind auch die Knackpunkte, wo man als Besitzer eines Arthrosepferdes wohl einfach auf sein Herz hören muss. Und auf seinen Verstand. Ein Sportpferd, auch für den kleinen Sport, ist es einfach nicht mehr. Egal ob 5, 15 oder 25 Jahre alt. Arthrose erfordert ein hohes Maß an Einfühlungsvermögen gegenüber dem Pferd. Viele geben ihre Pferde als Beisteller ab, weil sie das nicht akzeptieren möchten und lieber ein gesundes Pferd auf Turnieren reiten möchte. Ganz ehrlich: Ich kann es verstehen und zwar sehr. Für mich war das aber nie eine Option, weil ich an Bella so sehr hänge, dass ich mir ein Leben ohne die schwarze Dame nicht vorstellen kann und möchte und lieber in eigenen Belangen zurückstecke.

Vielleicht erkennen sich einige in meiner kleinen Geschichte ja wieder. Ich kann euch nur raten: Hört auf euer Pferd. Totgelaubte leben länger. Wenn auch mit kleinen Einschränkungen.

Wir haben die Arthrose nun mit Offenstall, dosierter Arbeit und Zusatzfutter ganz gut im Griff. Es gibt sehr gute, gute, schlechte und sehr schlechte Tage, aber damit muss man sich einfach abfinden und einen Haken hinter machen. Ich hoffe, dass ich mit Bella noch viele Jahre glücklich sein kann.

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Liebe Grüße,

eure Jule