„WAS?! Geländehindernisse? So richtig Vielseitigkeit? Das ist doch viel zu gefährlich! Das würde ich mit meinem Pferd niemals machen.“
Das kann ich mir, als Vielseitigkeitsreiterin selbst auf kleinem Niveau (A/L im Training), so oft anhören, wenn ich zum Training oder aufs Turnier fahre.
Ja, feste Hindernisse sind wirklich fest und fallen nicht um, wenn das Pferd das Hindernis leicht streift wie im Stangenwald.

Und natürlich ist das Tempo auch höher als im normalen Pacours gewählt. Auch die Strecken- und Bodenverhältnisse gleichen nicht einer gerade frisch durchgezogenen Reithalle sondern sind eben „natürlich“ angelegt.

All das macht das Geländereiten vielleicht für viele zu einer der gefährlicheren Reitsportarten, jedoch bin ich mir sicher: Kein Verhältnis zwischen Pferd und Reiter ist so vertraut und bindend wie das zwischen einem Buschpferd und seinem Reiter.
Wieso haben viele der großen Vielseitigkeitsreiter nur ein oder manchmal vielleicht auch zwei Spitzenpferde, mit denen sie drei- oder vier Sternekurse reiten und keinen ganzen Transporter voller Toppferde? Und wieso sind die Pferd häufig auch bis ins hohe Alter fit und geben jedes Mal aufs Neue 110 Prozent für ihren Menschen?

Vielseitigkeitsreiter trainieren in allen drei Disziplinen mit einem Pferd. Mit ihrem Champion, der alles kann und alles für sie gibt.
Nicht umsonst springt ein Buschpferd über eine undurchsichtige Mauer in die Tiefe, hinter der sich häufig auch noch ein Wasserdurchritt befindet, wenn sein Reiter ihm das Zeichen gibt.
Kein Pferd, das seinem Reiter nicht 100 Prozent vertraut, würde diesen Sprung wagen, da es gegen jegliche Gesetze der Natur spricht.
Das war nur ein Beispiel für das Vertrauen zwischen Vielseitigkeitspferd und Reiter, ich könnte noch viele weitere aufzählen, möchte den Text aber nicht zu lang und eintönig halten.

 K1600 Foto 26.04.15 15 50 47

Viele Reiter verachten den Vielseitigkeitssport und behaupten, dass es Tierquälerei sei, über so hohe und feste Hindernisse zu springen. Schließlich könne das Pferd am wenigstens für den falschen sportlichen Ehrgeiz der Reiter und würde häufig auf der Strecke bleiben.
Diese Behauptung ist nicht nur höchst unsportlich sondern auch schlichtweg einfach falsch.

Ein Buschreiter sattelt ja nicht sein Pferd und jagt es über den Drei-Sterne-Kurs in Luh. Hinter allem steckt unglaublich viel Training. Das beruht zum großen Teil auf der Vertrauensbasis zwischen Reiter und Pferd. Niemals könnte man ein Pferd zwingen, irgendwo hinab zu springen, wenn es nicht wissen würde: Mein Reiter sagt, ich kann es wagen. Mir wird nichts passieren.
Erst wenn jedes Hindernis sitzt, jedes Schnaufen, jede Bewegung der Ohren und jedes Zögern des Pferdes durch den Reiter richtig verstanden wird, dann geht es auf die Strecke.

 busch

Kein verantwortungsbewusster Buschreiter würde mit einem unvorbereiteten Pferd ein Risiko im Gelände eingehen oder ein unerfahrenes oder weniger talentiertes und mutiges Pferd mit in den Busch nehmen.
Natürlich gibt es auch die Schattenseiten. Und natürlich sind die Folgen eines Sturzes im Gelände für Pferd und Reiter häufig gravierender als im Pacours oder gar in der Dressur.

Aber es darf nicht vergessen werden, dass die Buschpferde die am besten vorbereiteten Pferde im Reitsport sind. Sie sind für die Reiter selten einfach Mittel zum großen Geld oder großen Erfolg, sondern wahre Freunde.
Man beachte, wie Ingrid Klimke beispielsweise ihr Toppferd Escada FRH bei ihrem Ritt mit der Helmkamera immer wieder lobt und aufmunternd mit ihr spricht.

Durch die Presse und Menschen, die nur wenig Ahnung vom Sport haben, die Unfälle wochenlang aufbauschen und häufig nur die negativen Ereignisse erwähnen, gerät der Sport oft in ein falsches Licht.

 K1600 10982286 625222200911674 5377976687271284543 o

Schöne Erfolge und tolle Pferde werden, wenn es auch in letzter Zeit besser geworden ist, weniger erwähnt, als Unfälle und Stürze.
Es ist Zeit, dies zu ändern und der Vielseitigkeit ihren Ruf wiederzugeben. Sie ist und bleibt nämlich: Die Krone der Reiterei.

 


Vielen Dank an Thomas Pferd&Foto für die Bilder! Ihr findet ihn auf Facebook unter der selbigen Seite. Er macht wunderbare Bilder, schaut doch mal dort vorbei.